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Eine völlig neue Form der Waldbewirtschaftung

Nachricht / Pressemeldung vom: 30.06.2005

Mit der Gemeindewald-Verpachtung an einen privaten Forstbetrieb ist in Großheubach ein bayernweites Modellprojekt angelaufen

Großheubach (Kreis Miltenberg).
Ein bayernweit bisher einzigartiges Projekt ist in Großheubach angelaufen: Seit kurzem hat dort der Kirchzeller Forstbetrieb Karlheinz Hess die Forstbetreuung übernommen. Ausschlaggebend für diesen Schritt war für die Gemeinde letztlich die Erhöhung des Entgelts für die Betriebsleitung und -ausführung durch das Staatliche Forstamt Miltenberg.
Bild - Waldarbeiter der Hess GmbH arbeiten den gefällten Stamm einer Douglasie aufDie Gemeinde Großheubach verfügt über insgesamt 580 Hektar Wald - einschließlich des Naturschutzwalds. Im Norden schließt der Forst an den Stadtwald Klingenberg-Röllfeld mit etwa 90 Hektar an, teilweise steht dieses Areal unter Naturschutz. Der Rest verläuft am Kloster Engelberg entlang bis zur Gemeinde Röllbach beziehungsweise bis Kirschfurt und grenzt schließlich noch an den Löwensteinschen Forst. 70 Prozent des Baumbestands bestehen aus Kiefer, der Rest ist Laubwald, unter anderem Buche, Eiche, einige Edellaubbäume, wie Esskastanie, Ahorn und Linde.
 
Jahrelang Minus in der Kasse
Bisher hatte sich das Staatliche Forstamt Miltenberg um die Betriebsleitung und -ausführung für etwa 7500 Euro pro Jahr in Großheubach gekümmert. Durch die Erhöhung des Entgelts zum 1. Januar dieses Jahres wären dies aber für die Marktgemeinde künftig an die 10000 Euro gewesen (im Vergleich dazu die Kreisstadt Miltenberg: Hier fallen dafür künftig pro Jahr 7100 Euro an). Schon in der Vergangenheit hatte die Gemeinde Großheubach laut Bürgermeister Oettinger in Sachen Waldwirtschaft jahrelang ein Minus von 3000 bis 4000 Euro zu verzeichnen. Da es aber Aufgabe einer Kommune sei, ökonomisch zu wirtschaften, sei dies nicht länger gegenüber den Bürgern zu vertreten gewesen.
Schließlich hat die Gemeinde Nägel mit Köpfen gemacht: Zum 31. Dezember vergangenen Jahres kündigte sie dem Staatlichen Forstamt Miltenberg den Vertrag. Mit ein Kündigungsgrund war nach Angaben des Bürgermeisters auch die Erhöhung für die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft. Alles in allem hätte die Gemeinde jeweils etwa 11000 Euro pro Jahr zahlen müssen. »Eindeutig zu viel«, meint Bürgermeister Oettinger und hat mit seinem Gemeinderat Nägel mit Köpfen gemacht: Seit 1. Mai arbeitet der Forstbetrieb von Karlheinz Hess aus Kirchzell im Großheubacher Gemeindewald in Eigenregie. Das heißt, das Unternehmen zahlt an die Gemeinde eine vereinbarte Pacht und muss ihn dafür entsprechend einem ausgearbeiteten Pacht- und Bewirtschaftungsvertrag ordnungsgemäß bewirtschaften. Grundlage sind Vorgaben des Bayerischen Waldgesetzes und der Bayerischen Kommunalwaldverordnung sowie der Forsteinrichtung.
 
Absicherung nach vielen Seiten
Einen derartigen Vertrag gab es bis dato noch nicht. Beraten lassen hat sich Oettinger in Bad Orb. In der Kurstadt ist der Stadtwald privat verpachtet. In juristischen Fragen habe der Bayerische Städte- und Gemeindetag zur Seite gestanden.
Der Kirchzeller Forstbetrieb, am 1. Juni 1965 von Rudolf Hess als Zapfenpflücker-Betrieb gegründet, wird in Großheubach vor allem forstbetriebliche Arbeiten, wie Wegebau, Forstschutz, Wiederaufforstung, Pflege der Waldbestände sowie Fällung und Abfuhr des Holzes erledigen. Unkontrolliert ablaufen wird dies alles allerdings nicht. Die Firma, die sich seit 1990 auf den Holzhandel spezialisiert hat, wird ständigen Kontrollen durch die Gemeinde und die Forstbehörden unterworfen sein. Letztere werden auch nach der Forstreform, die mit dem 1. Juli in Kraft tritt, die Aufsicht über alle bayerischen Wälder haben.
»Wir arbeiten nicht billiger als vorher, aber wir können nun unsere Maschinen besser koordinieren, und ich habe eine sichere Holzlieferung, die ich in die Vermarktung mit einbringen kann. Die Abnehmer-Seite, die Groß-Industrie, ist natürlich gut organisiert«, schwärmt der Kirchzeller Unternehmer. Fachlich kompetente Unterstützung erhält er übrigens von Forst-Student (FH) Mathias Geisler und von dem Breuberger Forstdirektor Jürgen Michalczyk.
Letzterer praktiziert das Großheubacher Modellprojekt bereits seit 20 Jahren in einem privaten Breuberger Forst auf einer Fläche von 3000 Hektar erfolgreich. Michalczyk gibt für die Hesssche Herausforderung in Großheubach die Richtlinie vor, und Mathias Geisler leitet vor Ort den Personal- und Maschineneinsatz. »Ich selbst kontrolliere, wo das Geld herkommt und stecke mögliche Prügel ein«, ergänzt Karlheinz Hess. Mathias Geisler schreibt derzeit an seiner Diplomarbeit, nach deren erfolgreichem Abschluss er sich im kommenden Jahr »Förster« nennen darf.
Bis dahin darf er durch den Forstbetrieb Hess im Großheubacher Gemeindewald seine praktischen Erfahrungen sammeln. Was übrigens nicht selbstverständlich ist. Die Firma Hess darf aber seit 16 Jahren offiziell auch Forstleute ausbilden.
 
Ziel: Mischwald
Geisler hat in diesen Tagen vor allem mit dem Holzeinschlag in Großheubach zu tun. Als ein Problem wird sich laut Hess wahrscheinlich der starke Wildverbiss herausstellen. Der gelernte Kaufmann formuliert es vorsichtig: »Ein Problem kann sein, dass der Wildverbiss sehr hoch ist«. Daher strebe die Gemeinde Großheubach ganz konkret einen Mischwald an, ergänzt Bürgermeister Günther Oettinger. Dies sei aber nur möglich, wenn der Rehwildbestand reduziert werde, was wiederum nur durch einen entsprechend rigorosen Abschussplan zu bewältigen sei. Hess sieht in dem Modellprojekt Großheubach große Chancen: »Hier geht es nicht nur um die Wald- und Holznutzung, sondern auch um die Chance, einen Wald neu aufzubauen.« Mit einem von seinem Forststudenten ausgearbeiteten Geographischen Informationssystem (GIS) lassen sich die Bestände aufnehmen und digitalisieren. Spezielle Kundenwünsche werden sofort per Computer erfüllbar sein, denn: Alle Stämme sollen vor Ort vermessen und mit genauer Ortsangabe datenmäßig erfasst werden. Wer speziell Fichten einkaufen möchte, erhält dann binnen weniger Minuten genaue Einzelheiten über Menge, Qualität und Lage des Holzes.
»Damit wird es dann zum Beispiel für die Fuhrunternehmen möglich sein, die Stelle - unabhängig von der Firma Hess - zu jeder Zeit anzufahren und das Holz abzuholen«, ist von Geisler zu erfahren. Das erspare nicht nur den Kunden, sondern auch dem Unternehmen Hess viel Zeit. »Unweigerliche Folge davon ist auch, Geisler kann sich dann mehr der Waldpflege widmen«, schwärmt Karlheinz Hess. »Pflege bedeutet aber erst einmal Kosten«, weiß der Kaufmann. »In fünf Jahren sollten die Kulturen nachwachsen«, hofft Hess. Das sei zunächst vorrangiges Ziel.
»Das, was in Großheubach passiert, ist ja das Ziel der Bayerischen Forstdirektion«, meint Forstdirektor Walter Adamek, der im Zuge der Forstreform zum heutigen 1. Juli sein Forstamt Altenbuch verlassen hat und gleichberechtigt mit Forstdirektor Berthold Orth, bis vor kurzem noch Leiter des Forstamts Kleinwallstadt, die Außenstelle Forst Miltenberg des neuen Amts für Landwirtschaft und Forsten leiten wird. (Forstdirektor Ully Schweizer, der bisherige Leiter des Miltenberger Forstamts, wechselt auf eigenen Wunsch nach Wolfratshausen als Leiter des dortigen Amts für Landwirtschaft und Forsten Miesbach.)
Daher, so Adamek weiter, seien ja zum Beispiel auch die so genannten Forstbetriebsgemeinschaften ins Leben gerufen worden. Diese könnten zwar zugegebenermaßen ihre Aufgaben aus Personalmangel noch nicht so wie gewünscht erfüllen, aber das sei nur eine Frage der Zeit.
In zehn Jahren jedenfalls, wenn die Revision anstehe, werde sich zeigen, ob das Großheubacher Modell einen Sinn gehabt habe oder nicht. Auch sei abzuwarten, ob sich das Ganze tatsächlich finanziell rechne.
 
Staatliche Zusagen
Im Übrigen: Laut »Pakt für den Kommunalwald« - einer Vereinbarung zwischen der Bayerischen Staatsregierung und dem Bayerischen Gemeindetag - sei entschieden worden, dass in zwölf Jahren die Entgelte für Betriebsleitung und Betriebsführung kostendeckend seien. Das sei dann der Fall, wenn 60 Prozent der dem Staat insgesamt für Körperschaftswald entstehenden Personalkosten gedeckt seien. Den Kommunen werde für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren zudem die Fortgewährung des Personalkostenzuschusses zugesagt.
Alles in allem ist sich Karlheinz Hess jedenfalls sicher, dass einige Fachleute bereits nach einem Jahr Bilanz ziehen und daher jetzt schon jeden Schritt mit Argusaugen verfolgen werden. Er scheut die Herausforderung nicht. Im Gegenteil: Sie reizt ihn.

Erscheinungsdatum: 01.07.2005 im Main-Echo und Bote vom Untermain
Text und Foto: Eva M. Lüft, Main Echo 

 

Veröffentlicht am: 30.06.2005

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